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Walter Bredendiek-Carl Ordnung-Günter Wirth
Walter Bredendiek Carl Ordnung Günter Wirth
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Inhalt
Besprechung


Walter Bredendiek:

KIRCHENGESCHICHTE VON ,LINKS’ UND VON ,UNTEN’.
Studien zur Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
unter sozialhistorischer Perspektive.
Herausgegeben von
Hans-Joachim Beeskow und Hans-Otto Bredendiek

Mit einem Nachwort von Carl Ordnung
Leonhard-Thurneysser-Verlag Berlin & Basel 2011


Kirchengeschichte von links’ und von unten’ Zu einem Gedenk-Buch*.
Walter Bredendiek als Historiker der Friedensbewegung und des religiösen Sozialismus in der DDR

Von Reinhard Gaede

„Irrwege und Warnlichter“ hieß ein Büchlein, das 1966 in den Evangelischen Zeitstimmen des Ev. Verlags Herbert Reich Hamburg-Bergstedt erschienen war. Es hatte den Forscher für kirchliche Zeitgeschichte in Westdeutschland bekannt gemacht. Ich selbst habe ihn zu Anfang der siebziger Jahre oft in Berlin besucht, die Gastfreundschaft des Ehepaars Walter und Marianne genossen und  Gespräche mit ihm über die Pioniere der christlichen Friedensbewegung und die religiösen Sozialisten während der Weimarer Zeit geführt. Nimmermüde konnte er Auskunft geben über die Weimarer Zeit. Ich hielt ihn für den besten Kenner der Jahre 1918-1933, über die damals fast gar keine Literatur erschienen war.  So bekam er einen Ehrenplatz in meinem Forschungsbericht: „Zunächst ist ein Blick auf die Aktivität der Forschung in der DDR notwendig. W. Bredendiek  skizziert mit detaillierten biographischen Angaben und Literaturauszügen die national-konser­vative Grundhaltung der Mehrheit protestantischer Kirchenführer und ihre Verwurzelung in der „Welt vor 1914" (Dehn). Als methodische Forderung an die kirchliche Zeitgeschichte ergibt sich aus seinen Ergebnissen, dass in Zukunft der „sozialhistorische Rahmen", in dem die Ent­wicklung bedeutender Führer des Protestantismus gesehen werden muss, aus den wissenschaft­lichen Biographien stärker zu eruieren ist. Bredendieks Studien erhellen ferner die Geschichte der frühen christlichen Friedensbewegung vor dem ersten Weltkrieg. Als wichtigste Doku­mente zur Behandlung der Friedensfrage im deutschen Protestantismus werden, die Friedens­appelle deutscher Theologen von 1907/08 und 1913 zu Grunde gelegt. In den Blick rückt damit eine Gruppe von Theologen, die „Axiome der liberalen Theologie mit den Prinzipien des Pazi­fismus koordinieren. Neben dem Liberalismus wird der religiöse Sozialismus als zweiter Pfeiler der christlichen Friedensbewegung untersucht. Bredendiek steht hier neben anderen im Kreis um Emil Fuchs, der durch die Herausgabe der Zeitschrift „Glaube und Gewissen" „Traditionen christlichen Friedenskampfes" für die Gegenwart zu interpretieren versuchte, in den letzten Jahren oft unter schweren Vorwürfen gegen die Kirchenführer in der BRD, bei denen man z. T. deutliche Worte der Distanzierung von friedensfeindlichen Traditionen oder gar eigenen Äußerungen vermisste.“ (Kirche-Christen-Krieg und Frieden. Die Diskussion im deutschen Protestantismus während der Weimarer Zeit, Hamburg-Bergstedt 1975 , S.11)

Walter Bredendiek ist nur 58 Jahre alt geworden. 27 Jahre nach seinem Tod hat sein Sohn Hans-Otto, gelernter Baufacharbeiter, Theologe, Historiker, zusammen mit Dr. Hans-Joachim Beeskow, ehem. Direktor des Wittenberger Lutherhauses, Dozent und Religionslehrer, einen Teil seiner Schriften herausgegeben. Die Herausgeber erläutern den Titel des Werks Kirchengeschichte von ‚links’ und von ‚unten’ so: „Der Titel signalisiert seine kirchengeschichtliche Intention, die sich wie ein ‚roter Faden’ durch sein wissenschaftliches Werk zieht. Er bemühte sich vor allem um jene, die als Außenseiter und ‚Irreguläre’ in der Kirchengeschichte galten und gelten, um der Kirche vor Augen zu führen, dass auch jene Außenseiter zu der ‚Wolke von Zeugen’ (Hebr. 12,1) gehören.“
Zur Biographie (vgl. H.O. Bredendiek, www. Wikipedia, sowie das Nachwort im Gedenkband von Carl Ordnung): Walter Otto Wilhelm Bredendiek (* 7. April 1926 in Swinemünde; † 26. Juli 1984 in Berlin) war als Pädagoge, Hochschullehrer für Kirchengeschichte und Funktionär der DDR-CDU tätig. Der Sohn eines Lehrerehepaares wuchs nach dem frühen Tod der Eltern in Gramzow bei Prenzlau / Uckermark auf. Er besuchte die Grundschule in Swinemünde, die Oberschule in Swinemünde, Camin (Pommern) und Angermünde, wo er 1943 seine Reifeprüfung ablegte. Nachdem er an der Berliner Universität ein Semester Geschichte und Germanistik studiert hatte, wurde er 1943 zum Reichsarbeitsdienst und 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Nach der Entlassung aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft im Herbst 1945 studierte er ein Semester Theologie in Hamburg, ging 1946 nach Gramzow zurück und wurde dort zunächst Neulehrer und später stellvertretender Schulleiter. Anschließend studierte er an der Berliner Humboldt-Universität Pädagogik, Geschichte und Germanistik. 1947 trat Bredendiek nach einer Zeit als LDP-Mitglied  der (Ost-) CDU bei.
Im Laufe der Zeit übernahm er sehr viele Ämter und Funktionen dieser Partei – von 1958-1969 gehörte er zum Hauptvorstand - schrieb Artikel in ihren Organen, war Mitglied in gesellschaftlichen Organisationen der DDR - im Friedensrat gehörte er seit 1956 zum Präsidium - und erhielt zahlreiche Auszeichnungen des Staates. Die Ergebnisse seiner historischen Studien übernahmen der Weltfriedensrat und die Christliche Friedenskonferenz, deren Mitglied er war. Emil Fuchs, einer der führenden religiösen Sozialisten in der Weimarer Zeit, Prof. für Systematische Theologie und Religionssoziologie in Leipzig, war sein Lehrer und Förderer. 1967 trat er  eine wissenschaftliche Aspirantur an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität. Im Mai 1971 wurde er dort zum Doktor der Theologie promoviert. Seit 1972 besaß er die Lehrbefähigung für Neuere und Neueste Kirchengeschichte und wurde umgehend mit einer Dozentur für Kirchengeschichte zuerst an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald und noch im gleichen Jahr an der Martin-Luther-Universität in Halle berufen. 1983 erfolgte die Berufung an die Humboldt-Universität zu Berlin, an der er nur kurze Zeit, bis zu seinem Tod 1984, wirkte. Seit ihrer Gründung gehörte er zum Herausgeberkreis der evangelischen Zeitschrift Standpunkt. Auf zahlreichen Reisen  ins Ausland referierte er auf wissenschaftlichen Tagungen und Kolloquien zu den Themen seiner Spezialgebiete. Nach anfänglichem Zögern öffneten sich ihm auch die Kirchen der DDR für die Einladung zu Referaten. W. Bredendiek war verheiratet mit der Lehrerin Marianne, geb. Watzke, und Vater von drei Söhnen und einer Tochter. Nach seinem Tod wurde seine Privatbibliothek mit circa 4.000 Bänden zu Geschichte, Kirchengeschichte, Theologie und Ökumene als Depositum dem Berliner Missionswerk überlassen. Der schriftliche Nachlass befindet sich in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
Bei grundsätzlicher Anerkennung der Führungsrolle der SED war der CDU-Politiker ein Fürsprecher für die Anliegen der christlichen Lehrer, für die er Freiheit ihres Bekenntnisses und berufliche Anerkennung forderte. “Fragen der christlichen Lehrer“, heißt ein Artikel. Auf der anderen Seite musste er bei den Kirchen Offenheit zur Mitgestaltung anmahnen. Das Nachwort von Carl Ordnung erinnert an die Verweigerungshaltung kirchlicher Vertreter, obwohl das sowjetische Militär die Kirche zunächst  als „antifaschistische Größe“ angesehen und zur Mitarbeit eingeladen hatte.
Das Buch enthält im letzten Kapitel „Stimmen über Walter Bredendiek“: Die Reden von Käte Gaede und Heinrich Fink bei der Beerdigung; Günter Wirth würdigt ihn als politischen Publizisten, Mittler zwischen den Fronten und christlichen Sozialisten, Fritz Klein sieht ihn als Historiker der deutschen Geschichte und Biographen von Walter Rathenau; Elisabeth Adler schreibt über ihn als einen aus der Wolke der Zeugen, den Referenten in der Evangelischen Akademie, Arno Sames, Ulrike Treu und Bernd Wittchow haben ihn als Erzieher und Hochschullehrer gewürdigt, Friedemann Stengel schrieb über seine akademische Laufbahn.  Eberhard Klages und Hartmut Ludwig berichteten über die akademische Gedenkfeier, Herbert Trebs hat ihn als Kirchenhistoriker und Politiker  porträtiert. Die Evangelische Monatsschrift Standpunkt brachte Nachrufe von Stephen Glencross Brown, Anneliese Feurich, Hans Gottschalk, Egon Grübel, Fritz Klein, Fritz Rathig, Bruno Theek. Zum 80. Geburtstag des früh Verstorbenen erschienen in Zeitungen Beiträge von Käte Gaede und Ina Matthes. Hans Otto Bredendiek berichtet über die 800 Jahrfeier in Gramzow, bei der die Einladung für den Pazifisten Martin Niemöller, damals Kirchenpräsident, wegen der „ideologischen Lage“ zurückgenommen wurde und Walter Bredendiek aus Solidarität seinen Vortrag absagte. Der Pfarrer Heinemann-Gründer gab dann den Kommentar: Christliche Liebe fügt sich in kein Freund-Feind-Schema, nimmt den Maßstab für gut und böse nicht aus einem Gesellschaftssystem, sondern orientiert sich an Christus.

W. Bredendiek untersucht den Protestantismus auf seine Rolle als „Integrations- und Stabilisierungsfaktor für die junkerlich-bürgerliche Gesellschaft in Deutschland“, achtet dabei zugleich aber auch auf das „progressive Erbe“ im „Widerspruch und Protest“ gegen die „Brutalität der Klassengesellschaft“ (12). Er folgte damit seinem Lehrer Emil Fuchs: „Es müssen immer einzelne Christen wagen, aus den eingefahrenen Bahnen eines bloßen Gewohnheitschristentums auszubrechen und auf neuen Wegen voranzugehen, auch wenn sie nicht gleich von allen verstanden werden, sondern Verkennung und Diffamierung auf sich nehmen müssen … Entscheidend für die christliche Existenz kann niemals eine kirchliche Durchschnittsmeinung sein, sondern der Gehorsam gegen den Ruf Christi.“ Als Träger des progressiven Erbes, als Warner, Mahner und Vorläufer“ hat W. Bredendiek die religiösen Sozialisten identifiziert. Ergebnis seiner Studien: Der BRSD war „die wichtigste und geschlossenste antifaschistische Gruppe im deutschen Protestantismus vor 1933“ (13). Für die Frage nach „Lehren“ aus der Geschichte ist festzuhalten: Die „Außenseiter“ von damals waren „nicht nur Warner und Mahner zur Umkehr, sondern vor allem auch Vorläufer und Wegbereiter von Einsichten“, die sich „heute in der Ökumene durchgesetzt haben“ (17). Vor allem das Wort des Bruderrates der EKD, das Darmstädter Bekenntnis vom 8. August 1947 (verfasst von Hans Joachim Iwand und Karl Barth), zitierte W. Bredendiek öfter, weil es endlich den überhörten frühen Warnungen und Mahnungen Recht gab: „Das Bündnis der Kirche mit den das Alte und Herkömmliche konservierenden Mächten hat sich schwer an uns gerächt. Wir haben die christliche Freiheit verraten, die uns erlaubt und gebietet, Lebensformen abzuändern, wo das Zusammenleben der Menschen solche Wandlung erfordert. Wir haben das Recht zur Revolution verneint, aber die Entwicklung zur absoluten Diktatur geduldet und gutgeheißen.“ ((3. These)

In diesem Gedenkband lesen wir die Lebensgeschichten von Menschen, die zu ihrer Zeit angefeindet waren, dann vergessen wurden, aber zu den Wegbereitern einer friedlichen und gerechten Ordnung gehörten: z. B. die frühen Bundesgenossen der Arbeiter: Julius Rupp, 1945 von seinem Amt als Pfarrer in Königsberg vertrieben. Er hatte das Recht des Volkes zur  Revolution bejaht, wenn bestehende Gesetze im „im Widerspruch mit der ewigen Gerechtigkeit“ stehen. Ludwig Würkert wurde 1849 wegen seiner Beteiligung am Dresdener Mai-Aufstand seines Amtes enthoben und zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Bei Wahlen zum Norddeutschen Reichstag 1867 kandidierte er  in Leipzig für die Arbeiterpartei. Friedrich Ludwig Weidig hatte mit Georg Büchner den „Hessischen Landboten“ verfasst; er wurde 1835 verhaftet und starb nach seinen Drangsalen. In der Weimarer Zeit dann die religiösen Sozialisten. Bisher nicht bekannte Namen werden der Vergessenheit entrissen: Erhard Boehm, Pfarrer in Schwarzhausen bei Gotha, Oswald Damian, Pfarrer von Pirmasens –so der richtige Name, der in einer zweiten Auflage zu korrigieren wäre – Fritz Honecker, Pfarrer in württembergischen Gemeinden, Pfarrer Dietrich Tittmann in Zella-Mehlis, Hans Richter in Leopoldshall, Pfarrer Walter Heide in Bernburg, Pfarrer Hermann Kötzschke, Pfarrer in Prosen bei Elsterwerda (28).

In einem  Kapitel untersucht W. Bredendiek Christen und Kirchen an den „Wendepunkten der Geschichte. Typisch waren „religiöse Gefühle“ gegenüber dem Staat, die „evangelische Staats-Gesinnung (Ernst v. Dryander), für die man eine Linie von Luther zu Friedrich dem Große zu Bismarck zog (34) Der Krieg galt als „Prüfstein der Kraft und Tüchtigkeit“ (Heinrich Claß, Vors. des Alldeutschen Verbands). „Das sittliche Recht des Krieges“ (Ferdinand Kattenbusch) war Voraussetzung des Denkens (37), das sich nicht scheute, vom „deutschen Gott“ zu reden, und eine makabre Todesmystik pries das „selige Sterben“ des Soldaten. Der Geist, der den Protestantismus im Weltkrieg beherrschte, lebte in der Weimarer Republik weiter. Fazit: „Das revanchistische und restaurative Verständnis von Nation und Volk, wie es für den deutschen Protestantismus in der Zeit der Weimarer Republik charakteristisch war, hatte für die Kirchen und Christen katastrophale Folgen: Es verwüstete die Verkündigung. Es blockierte weitgehend die Möglichkeit, die Revolution von 1918 als Impuls oder wenigstens als Menetekel für eine tief greifende Erneuerung der Kirche vom Evangelium her zu begreifen, sich dem Gericht zu stellen, das über die falschen und bösen Wege einer Kirche hereingebrochen war … Es machte die Pfarrer und Gemeinden weithin unfähig, die Gefahr zu erkennen, die der Faschismus nicht nur über die Gesellschaft, sondern gerade auch über die Kirche selbst heraufbeschwor (39).“ Gegen Ende der Weimarer Zeit dokumentierten die religiösen Sozialisten „eine Lawine pro- und präfaschistischer Handlungen und Äußerungen  im deutschen Protestantismus“. „Bei so genannten ‚Gottesdiensten’ wurden Stahlhelm, Säbel und Karabiner auf den mit der Hakenkreuzfahne drapierten Altar gelegt“ (115). 1931 bildeten sich die ersten „Arbeitsgemeinschaften nationalsozialistischer Pfarrer“. Große Verbände und evangelische Tageszeitungen tolerierten oder unterstützen solches Treiben. „90 Prozent der evangelischen Theologen“ seien mit dem „Parteiabzeichen der Nationalsozialisten im Kolleg“ erschienen, berichtete 1930 die Zeitschrift „Deutsche Republik“ (116). Dem Nationalprotestantismus standen die christliche Friedensbewegung und der religiöse Sozialismus gegenüber.

Ein Kapitel widmet sich  der „Erklärung deutscher Protestanten zur Friedensfrage“ vom Herbst 1917.  Die Berliner Pfarrer Lic. Dr. Karl Aner , Walter Nithack-Stahn, Otto Pless, Lic. Dr. Friedrich Rittelmeyer und Lic. Rudolf Wielandt  hatten eine Erklärung verfasst, darin hieß es: „Wir deutschen Protestanten reichen im Bewusstsein der gemeinsamen christlichen Güter und Ziele allen Glaubensgenossen, auch denen in den feindlichen Staaten, von Herzen die Bruderhand. Wir erkennen die tiefsten Ursachen dieses Krieges in den widerchristlichen Mächten, die das Völkerleben beherrschen, in Misstrauen, Gewaltvergötterung und Begehrlichkeit und erblicken in einem Frieden der Verständigung und Versöhnung den erstrebenswerten Frieden.“ Sie strebten „im Namen des Christentums“ danach, „dass der Krieg als Mittel der Auseinandersetzung unter den Völkern aus der Welt verschwindet“ (77). W. Bredendiek bietet ganze Listen von Namen der vergessenen und damals angefeindeten Friedensfreunde. In dem Abschnitt „Vor der Feuerprobe“ findet sich die Geschichte vom Disziplinarverfahren gegen die Antifaschisten Emil Fuchs und Karl Kleinschmidt, im folgenden Abschnitt „Früher Widerstand“ finden sich die Thesen von Emil Fuchs „Der Faschismus – eine Gefahr für das Christentum“ und seine Erklärung zusammen mit Karl Kleinschmidt „Noch ist es Zeit“.

Eine Dokumentation widmet sich dem Verhältnis von Emil Fuchs zur Arbeiterbewegung. Und wie bei einer ganzen Anzahl heutiger  Studien gibt es einen Abschnitt zum „Halleschen Universitätskonflikt“ über einer Rede Günter Dehns, weil sie den Übergang bürgerlicher, „völkisch“ denkender Schichten zum Faschismus wiedergibt. Entsprechend auch einen über die Fronten im Frühsommer 1933.  Den Konflikt über dem Volksbegehren „Enteignung der Fürsten“ stellt Walter Bredendiek ausführlich dar. Während der Nationalprotestantismus die Forderungen der Fürsten mit dem Argument von der „heiligen“ Ordnung des Eigentums verteidigte, sahen die religiösen Sozialisten auf „dies gegenwärtige Unrecht, in dem ungeheurer Reichtum Millionen in ungeheure Armut und Verelendung und Rohheit drückt“ (E. Fuchs) (151).  Der Artikel enthält die Namen der Kämpfer für Gerechtigkeit, denen Disziplinarverfahren ihrer Kirche drohten. Das „Lutherbild“ ist ein Thema von der nationalistischen Überfremdung der Kirche. Andere Studien widmen sich den Lebensbildern von Wilhelm Zimmermann, Historiker des Bauernkriegs, von Julius Rupp, dem Demokraten, von Dr. Carl Vogl, dem Anwalt der Verfolgten, von Georg Fritze, dem Antifaschisten und Führer der rheinländischen religiösen Sozialisten, von Paul Kohlstock, dem Pionier der Friedensbewegung. Einige der gewürdigten religiösen Sozialisten waren Freunde zu Lebzeiten W. Bredendieks: Karl Kleinschmidt, Erich Hertzsch, Johannes Herz. Bertha von Suttner und die „klassische“ Friedensbewegung werden geehrt. Sein Symbol von ineinander greifenden Zahnrädern meinte „internationales Friedensrecht“ (242). W. Bredendieks Studien schließen mit den frühen Beiträgen über Wilhelm von Kügelgen und seine beliebte Biographie und über Danilo Dolci, den Sozialreformer Siziliens.

W. Bredendieks umfangreiches Werk bietet eine großartige Dokumentation der Zeitgeschichte und Theologiegeschichte. Es gibt historische Aufklärung über Irrwege und Katastrophen der Neuzeit und informiert über zukunftsträchtige Konzeptionen und Aktionen, die sich zu ihrer Zeit zwar nicht durchsetzen konnten, aber an die wir heute anknüpfen können und die wir fortschreiben müssen. Prophetische Stimmen werden der Vergessenheit entrissen. Sie ermöglichen den Bewegungen für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Frieden die Kontinuität mit frühen Ansätzen, nachdem diese durch Restauration, Faschismus und Krieg unterbrochen waren. Die Würdigung vergessener Gegen- und Unterströmungen macht hellsichtig für die Fragen des Lebens und Überlebens, die hinter politischen Entscheidungen liegen. Der Band gibt der Welt ein Beispiel, wie Religiöser Sozialismus und Christliche Friedensbewegung zu bewahren und fortzuschreiben sind: Prophetischer Kampf gegen die Dämonisierung des sozialen Lebens, geduldige Arbeit für eine Wirtschaft im Dienst des menschlichen Lebens und Humanisierung der Gesellschaft, Zeugnis für das kommende Reich Gottes, in dem „Gerechtigkeit und Friede sich küssen“ (Ps. 85,11).
Möge das Buch weite Verbreitung finden!

* Walter Bredendiek: Kirchengeschichte von links’ und von unten’.
Studien zur Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts aus sozialhistorischer Perspektive. Hg. Hans-Joachim Beeskow und Hans-Otto Bredendiek. Nachwort: Carl Ordnung, Thurneysser Verlag Berlin und Basel. ISBN-13: 978-3939176831, 14 Euro